Gut gemeint – Förderung freier Netze in Thüringen

Kommentar von KvH:

Teile der Thüringer Freifunk Community lecken aktuell ihre Wunden – was ist passiert? Die Förderung Freier Netze wurde konkret und fällt anders aus, als es sich die Freifunker gewünscht haben. Eine Überraschung? Ein Rückschlag? Eine große Chance?

Sondierungsgespräche mit Abgeordneten

Gerüchte werden laut, Freifunk tauche im Haushalt Thüringens für das Jahr 2015 auf. Zunächst herrschte Unklarheit. Aber der “neuen” Truppe rund um Bodo war viel zuzutrauen, gerade beim Thema Förderung Freier Netze.

Ein Kontakt in die Landesregierung war schnell geknüpft. Abgeordnete folgten der Einladung in den Erfurter Bytespeicher, im Rahmen einer lockeren Gesprächsrunde wurde das Freifunk Projekt vorgestellt, Probleme erörtert, Wünsche geäußert. Auch über Geld wurde gesprochen. Die Freifunker stellten klar, dass eine reine Finanzspritze nichts nutze. Nicht Geld sei vorrangig das Problem. Vielmehr bestünde Bedarf an an Zugang zu öffentlichen Gebäuden und öffentlicher Infrastruktur oder die Übernahme von Stromkosten. Auch die Störerhaftung sei ein Bremsklotz – mit Geld könne diese allenfalls in einen grauen Bereich verschoben werden (VPN ins Ausland). Freifunk sei kein Wirtschaftsfaktor, sondern ein Mitmachnetz.Die Abgeordneten hatten Verstanden. 

Kommunikationskanal

Ein Kommunikationskanal mit den Abgeordneten wurde eingerichtet. Die Chancen auf Geld vom Land schienen gut. Spekulationen über die Form einer Förderung begannen.

Einhunderttausend Euro und Richtlinienentwürfe

Der Haushalt steht. Tatsächlich 100000 Euro für die digitale Gesellschaft und freie Netze. Viel Geld? Viele Fragen, einige Antworten, aber große Chancen! 

Entwürfe einer Förderrichtline kursierten unter den Freifunkern. Die Erfüllung einiger Wünsche der Freifunker ließ sich durchaus in die Entwürfe hinein interpretieren, Zugang zu Gebäuden, Infrastruktur, Stromkosten. Die Störerhaftung trat in den Hintergrund, in Aussicht gestelltes Geld ließ VPN Lösungen finanzierbar erscheinen. Die Thüringer Communities begannen mit der Entwicklung von Projektideen. Ein Ideenpool entstand. Netzwerktechnik, Infomaterial, Standorterschließung. Lebhafter Austausch unter den Communities. Keiner sollte zu kurz kommen, Resourcen möglichst effizient verteilt werden. Weniger effiziente Projekte wurden untereinander kritisiert und aufgegeben – die Community funktioniert. die Motivation ist hoch, aber es gibt auch kritische Stimmen. 

Projektideen, Absprachen, Zweifel

Projekte werden zunehmend auf Fördergeld ausgerichtet. Jedes Projekt ganz bewußt gerade so groß, dass eine Betreuung  durch einzelne Vertreter der Communities in der Freitzeit noch möglich wäre. Haftungsrisiken kristallisieren sich heraus. Nur juristische Personen können eine Förderung beantragen, aber nicht jede Community kann eine juristische Person vorweisen. Und wie frei ist Freifunk unter dem Dach und der Regie einer juristischen Person? Lohnt die Gründung eines weiteren Fördervereines? Noch ist die Richtlinie nur ein Entwurf! Aber das Geld lockt. Resourcen werden für die Planung gebunden. Mittel vorgestreckt vor allem Zeit. Zeit, die der Weiterentwicklung von Freifunk in Thüringen fehlt. Zu viel Optimismus?

Die Richtline wackelt. Gerüchte um einen zu engen Zeitrahmen und ein Modellprojekt. Viele Fragen, einige Antworten, aber große Chancen!

Das Modellprojekt

Die Richtlinie ist vom Tisch. Auf dem Tisch liegt eine Pressemitteilung. Thüringen fördert ein Modellprojekt mit 100000 Euro. Die Ausschreibung erfolgt als Wettbewerb. Projektideen können eingereicht werden. Eine Projekt, das Beste, gewinnt. Ein einziges Projekt. Das vorläufige Aus für die vielen kleinen Projekte. Mehrere Monate Arbeit – obsolet. 

Die Bedingungen zur Teilnahme am Wettbewerb sind Community – feindlich!

Die Ausschreibungsbedingungen erwecken den Eindruck von Wirtschafsförderung. Aber Freie Netze sind kein Wirtschaftsfaktor.

Die Stimmung unter den Freifunkern ist gedrückt. Was wurde aus den Wunsch nach Zugang zu öfentlichen Gebäuden, Anbindung an öffentliche Infrastruktur und Störerhaftung? Wie passen Community und ein einziges Modellprojekt zusammen? Wie passen die Ausschreibungsbedingungen in das Freifunkkonzept?

Gut gemeint

Die Ausschreibung eines Modellprojektes ist ein deutliches Signal und gut gemeint, passt unter den derzeitigen Bedingungen aber nicht zum Konzept von Freifunk. Weitere Gespräche zwischen Freifunkern und Politik sind nötig.

Liebes Thüringen, liebe Communities, denkt nochmal nach. Freifunk ist kein Wirtschaftsfaktor, sondern ein Selbstmachnetz. Ein Netz von der Community, für die Community. Die Signalwirkung einer Förderung durch das Land Thüringen wäre enorm – wenn die Bedingungen passen. Im Zweifel machen die Thüringer Freifunk Communities das Netz lieber weiter selbst, denn genau so haben sie bereits sehr viel erreicht. Bewahrt euch eure Unabhängigkeit und Freiheit. An Bedingungen geknüpfte Förderung macht abhängig und unfrei. Eigentlich passen doch nur Spenden ins Freifunkkonzept. Egal ob Bandbreite, Hardware, Standorte oder Arbeitszeit. Gebt der Politik noch etwas Zeit.

Frei im Sinne von Freiheit.

2 Replies to “Gut gemeint – Förderung freier Netze in Thüringen

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